Die griechische Grammatik

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Wie im Artikel Die konkordante Idee bereits ausführlich dargelegt, sind, ebenso wie der Sprachschatz, auch die grammatischen Formen des sog. Griechischen Neuen Testaments in ihre kleinstmöglichen Elemente zerlegt und einer genauesten Untersuchung unterzogen worden. Das führte zu einer Betrachtungsweise der Grammatik, die sich von der schulmäßigen in etlichen Punkten unterscheidet, die aber zu wesentlich befriedigenderen Ergebnissen und Erklärungen kommt und vor allem ein einheitliches Übersetzen überein mit dem Grundtext möglich macht. Der vornehmlichste Unterschied liegt in der Anschauung des (griechischen) Verbs, das uns vielmehr als Tätigkeitswort denn als Zeitwort begegnet, das also primär funktionsorientiert ist und erst in sekundärer Hinsicht den Zeitaspekt berücksichtigt. Das man das heute gemeinhin anders beurteilt ist nicht verwunderlich, ist doch der Mensch als sterbliches Wesen vom Zeitaspekt ganz besonders beeindruckt. Nichtsdestotrotz lehrt uns die griechische Sprache des Altertums etwas anderes, insbesondere in Bezug auf die Heiligen Schriften, die im Brennpunkt unseres Interesses stehen. Demnach stellt uns das Verb ein Geschehen entweder als unbestimmte TATSACHE vor Augen (Aorist), oder als im Gange befindliche HANDLUNG (Verlaufsform, die im Deutschen, im Gegensatz z.B. zum Englischen, konstruiert werden muss), oder als vollendeten ZUSTAND (Perfekt bzw. Plusquamperfekt, wobei jener, im Gegensatz zum Verständnis des Perfekt im Deutschen, den Nachdruck nicht auf etwas Vergangenes, sondern Bleibendes legt). Lasst uns, zum besseren Verständnis des Gesagten, einige Schriftstellen etwas genauer ansehen:

Joh 3:16 lautet im Grundtext nicht: ‚Denn also hat Gott die Welt geliebt‘ (Elb), sondern ‚Denn also liebt Gott die Welt‘ (KWNT). Das Verb ‚lieben‘ steht hier in der unbestimmten Zeitform des Aorist, nicht im Perfekt, und stellt somit die Liebe Gottes der Welt gegenüber als von der Zeit unabhängige Tatsache dar, nicht als einen Zustand vollendeter Handlung, geschweige denn, wie wir im Deutschen geneigt sind zu verstehen, als einen abgeschlossenen, vergangenen Sachverhalt. Vielmehr währt Gottes Liebe der Welt gegenüber durch alle Zeit hindurch, sie ist eine Tatsache, unbeeinflusst vom Zeitenlauf.

2.Tim 1:10 ‚…welcher den Tod zunichte gemacht…‘ (Elb) muss genau genommen heißen: ‚…Der zwar den Tod aufhebt…‘ (KWNT). ‚Aufheben‘ erscheint hier in der Partizipform des Aorist und kann natürlich keinen abgeschlossenen Zustand bezeichnen und noch viel weniger etwas Vergangenes, denn offensichtlich ist der Tod noch nicht zunichte gemacht. ‚Er hebt ihn auf‘ aber drückt etwas ganz anderes aus, dass nämlich Christus Jesus den Tod in der Tat beseitigt, wobei über den Zeitpunkt keinerlei Aussage gemacht wird.

Röm 8:30 ‚…diese hat er auch verherrlicht‘ (Elb) lautet in Wirklichkeit ‚…diese verherrlicht Er auch‘ (KWNT). Unsere Verherrlichung ist, ganz unserer Erfahrung entsprechend, noch nicht geschehen, sondern liegt in unserer Zukunft. Da die zitierte Aussage in Römer acht völlig unabhängig von der Zeit gemacht wird, in der unbestimmten Form des Aorist, besteht auch keinerlei Grund, dieses Ereignis in die Vergangenheit zu legen, wenn wir den Aorist nur richtig verstehen.

Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die anderen Verbformen, die uns, wie gesagt, als unvollendete Handlung bzw. vollendeter Zustand begegnen, was im idiomatischen Deutsch zugegebenermaßen oft schwierig genau zu übersetzen ist, durch drucktechnische Mittel aber dennoch zum Ausdruck gebracht werden kann.

Mt 5:46 z.B. finden wir die Aussage: ‚Denn so ihr liebt, die euch lieben…‘ (KWNT), wobei ‚lieben‘ hier jeweils als unvollendete Handlung erscheint, erst in der Futur Möglichkeitsform, dann als Präsens Partizip. In der etymologischen Unterzeilung (cles.de) lautet dieser Satzteil folgendermaßen: ‚WENN-ETWA GEWISS-DEMNACH IHR-MÖGT-BEIM-LIEBEN-SEIN-WERDEN DIE BEIM-LIEBEN-SEIENDEN EUCH‘, was für das deutsche Sprachgefühl zwar sicherlich konstruiert klingt, dennoch aber verständlich genug ausdrückt, was wirklich gemeint ist. Das Griechische spricht hier nicht von einem rein gegenwärtigen Sachverhalt, noch drückt es eine zeitlich unabhängige Tatsache aus, sondern setzt unser mögliches zukünftiges Handeln in Beziehung zu unserer gegenwärtigen Erfahrung.

Eine weitere Besonderheit der altgriechischen Sprache verdient Beachtung, die sog. Mittelform oder das Medium des Verbs. In unseren modernen Sprachen sind wir gewohnt, ein Geschehen aktiv oder passiv auszudrücken, wobei das Substantiv, auf welches sich das Geschehen bezieht, als Subjekt oder Objekt in Erscheinung tritt. Im Altgriechischen gibt es noch ein weiteres Verbalgeschlecht, das Medium, das weder aktiv, noch passiv ist, auch wenn wir es mangels Möglichkeit so übersetzen müssen. Das Medium ist auch nicht sowohl aktiv als auch passiv (was bei genauer Betrachtung auch gar nicht möglich ist), wie in der oft zitierten Aussage ‚Ich wasche mich‘ scheinbar nachgewiesen. ‚Sich waschen‘ ist reflexiv, was zwar gewisse Ähnlichkeit mit der Mittelform hat, aber keinesfalls in allen Fällen zutrifft. Konkordante Studien haben aufgezeigt, dass in der Medialform die Handlung beim Subjekt/Objekt verbleibt, dass das Geschehen also in einer innigen Beziehung zum Subjekt/Objekt steht und nicht von ihm ausgeht oder ihm widerfährt. Das Subjekt/Objekt ist weder Agens noch Betroffener, sondern steht quasi dazwischen, mitten im Geschehen selbst. In den Anfängen der konkordanten Arbeit im Deutschen wurde der Versuch unternommen, diese spezielle Form mittels des Ausdrucks ‚(für_sich)‘ zu übersetzen, was idiomatisch praktisch nicht durchführbar ist, in der etymologischen Unterzeilung aber durchaus funktioniert. Wir haben diese Idee nach sorgfältiger Prüfung aufgegriffen und in der etymologischen Unterzeilung  (cles.de) angewandt. Lässt man den in Klammern gesetzten Ausdruck beim Lesen außer Acht, hat man die entsprechend aktive oder passive Variante, die sich zumeist auch in der idiomatischen Übersetzung findet.

Ein Beispiel soll helfen, dies zu veranschaulichen: In Röm 7:24 heißt es: ‚Ich elender Mensch! Was wird mich bergen aus dem Körper dieses Todes?‘ (KWNT). ‚Bergen‘ steht hier nicht im Aktiv, sondern im Medium, sodass es in der etymologischen Unterzeilung (cles.de) heißt: ‚IRGEND MICH -WIRD-BEIM-(für_sich)-BERGEN-SEIN…‘ – ‚Wer oder was wird sich mit meiner Bergung beschäftigen?‘ legt den Nachdruck nicht auf die aktive Tat, sondern auf den Sachverhalt des Bergens an oder für sich. Dass die Frage des elenden Menschen einerseits nach einem Akteur verlangt, andererseits eine Selbstbeteiligung völlig ausschließt, ist klar. Was hier gesagt wird, ist etwas anderes. Es geht hier vielmehr darum, Ausschau zu halten, wem diese Aufgabe der Bergung zukommt, wer oder was mit ihr bedacht werden kann, sozusagen in ihr ruhen und darin aufgehen kann. Nur die Gnade kommt in Betracht, die in Gott liegt und sich durch Glauben erschließt.

Diese Ausführungen sollten reichen, um aufzuzeigen, was es mit der altgriechischen Grammatik im Großen und Ganzen auf sich hat und wie wir sie auf konkordanter Grundlage so genau wie möglich ins Deutsche übertragen haben. Eine tabellarische Darstellung dessen, was die Kürzel des konkordanten grammatischen Parsings (parsing-c.de) bedeuten, ist im Download-Bereich im PDF-Format hinterlegt (Konk_Parsing_Kürzel). Bezüglich der entsprechenden Formen sei auf die Datei Einführung_Konk_Gram verwiesen.

Mögen diese Darstellungen über die Grammatik des Wortes des Lebens dazu beitragen, im verklärenden Licht dieses Wortes zu wandeln, zum Lobpreis und zur Herrlichkeit Dessen, der es in unsere Hände gegeben hat.